Liebe Schule,
Ich richte diese Zeilen an dich, in der Hoffnung, dass sie bei dir „Gehör“ finden werden.
Ich denke auch dir ist aufgefallen, dass wir uns in letzter Zeit nicht mehr so oft gesehen haben. Es ist ja nicht so, dass ich dich jetzt irgendwie hasse oder ähnliches…. Nein, nein vielmehr ist es, als dass ich das Gefühl habe, wir hätten uns innerlich entzweit, auseinandergelebt… Verstehst du? In viel zu kleinen Klassenzimmern fühle ich mich zunehmend eingeengt. Ich weiß ja, das ist nicht deine Schuld, aber manchmal, da nimmt mir dein Kreidestaub einfach die Luft zu Atmen. Wir hatten einfach keinen guten Start. Ich war noch so klein und du, du warst so riesig, so unüberschaubar mit deinen viel zu langen, dunklen Fluren, zu viele Gebäude, zu viele Räume, zu viele Menschen gaben mir das Gefühl verloren zu sein. Jetzt bin ich älter und es hat einiges verändert. Aus einem ebenso verwirrten, wie trägen Treiben im Schülerstrom ist im Laufe der Jahre ein zunehmend verzweifeltes Huschen von Raum zu Raum geworden. Immer auf der Hut vor dem Klassenlehrer, aus Angst vor neuerlichen Drohungen und Schimpftiraden, weil ich sie wieder nicht dabei habe. Die Entschuldigungen….
Ja ich gebe zu, ich vergesse sie oft und es dauert meist zu lange bis ich sie abgebe und ja verdammt es sind wirklich zu viele. Und nein das liegt nicht daran, dass ich zu oft zu krank bin, um dich zu besuchen, es liegt auch nicht am platten Fahrradreifen oder an notorisch zu spätkommenden Busfahrern, dass ich, wenn ich komme, nicht pünktlich bin.
Vielmehr liegt es daran, dass du mir Angst machst. Der Gedanke die nächsten fünf Tage in deiner Gegenwart verbringen zu müssen, raubt mir jeden Sonntagabend den Schlaf. Ich muss dir gestehen, dass du mir lange Zeit ja auch so etwas wie Sicherheit gegeben hast. Ich dachte immer wir würden uns noch ewig sehen, bis wir uns mal trennen ist es noch lang. Jetzt habe ich ein mulmiges Gefühl. Was kommt denn danach, wenn wir uns gar nicht mehr sehen? Oh, die große Freiheit auf der einen Seite und eine große Leere auf der Anderen. Womit soll ich diese Leere bitte füllen? Ich solle über meine Stärken nachdenken, haben sie gesagt, was mir Freude macht…Das habe ich. Und ich habe auch gesucht, habe mir angesehen was ich machen kann, was ich ausprobieren könnte. Ich habe es wirklich versucht.
Aber es ist so, so schwer, verstehst du? Oft denke ich, du verstehst nicht. Es ist als würdest du mir stumm einen Vorwurf machen, „es gäbe doch so viele Möglichkeiten“. Durch meine mehr oder weniger „regelmäßigen“ Besuche stünde mir doch jetzt die ganze Welt offen. Doch es ist wie damals. Ich bin von Größe und Anzahl total überfordert und aus der Angst einen falschen Raum aufzusuchen, ist die Angst geworden, eine fatal falsche Entscheidung für den Rest meines Lebens zu treffen. Oder muss ich dich daran erinnern, dass wir uns nun bald 12 Jahre kennen?! Ich denke du kannst mich verstehen, dass ich diese 12 (jetzt nicht mehr endlosen) Jahre, nicht umsonst mit dir verbracht haben möchte. Alle fragen, was denn einmal aus mir werden soll? Dass ETWAS aus mir werden soll ist ja klar, am besten noch etwas Großes mit viel Geld, einem Buch und einem Doktortitel sowieso und nebenbei manage ich dann auch noch ein „sehr erfolgreiches, kleines Familienunternehmen“.
Du machst es mir da nicht unbedingt leichter. Es fällt mir ja jetzt schon nicht immer leicht dir zu. Ich gebe zu manchmal bin ich auch abgelenkt, habe keine Lust oder habe einfach nicht die rechte Zeit, weil das Leben nach mir ruft. Aber manchmal ist es auch so, dass ich dich wirklich nicht verstehe!
Deine Eigenarten verwirren mich und wenn du mal wieder über Goethes tiefere Absichten oder regionale Disparitäten reden willst, dann kann ich dir einfach nicht folgen. Das heißt, eigentlich könnte ich, aber du hetzt so schnell davon, dass du mich nach dem zweiten x² bereits abgehängt hast. Das ärgert mich dann richtig, denn du wartest so selten und forderst so viel, obwohl ich doch nie die einzige bin, die verzweifelt nach Verständnis sucht.
Denn solches hast du mir eigentlich kaum entgegengebracht. Das ist schade, denn ich bin mir sicher, wir würden uns dann besser verstehen… „Du findest mich schon kompliziert?! Das wird alles noch viel schwerer, dann wirst du den Ernst des Lebens zu spüren bekommen, dann wirst du dich noch einmal nach mir zurücksehnen!! Wenn du jetzt schon verzweifelst, dann hast du später eh‘ keine Chance!!! Bis jetzt war das alles doch nur Kindergarten!“. Und ich stelle fest, dass ich so eine Panik vor „Morgen“ bekomme und mich genau dorthin zurücksehne. In meine kleine und überschaubare Kinderwelt, die von Playmo-Rittern und Brettspielen dominiert wurde und wo das einzige was mir wirklich Angst machen konnte, das Monster war, welches unter meinem Bett hockte. Ja natürlich bin ich viel zu lange träumend und naiv durch meine eigene kleine Welt gelaufen, aber hey, das war okay, man kannte mich dort.
Doch nun, nun stehe ich vor dir und meine Nerven flattern mir um die Ohren. Ach komm, ich hatte mir doch selber schon gedacht, dass es nach „uns“ nicht unbedingt leichter werden würde, doch du gibst mir das Gefühl, dem ganzen auf jeden Fall nicht gewachsen zu sein. So selten hast du mal ein freundliches oder aufmunterndes Wort für mich über. Immer sagst du nur, dass es schwer wird, doch niemals, dass wir es ja zusammen schaffen könnten, weil du so Lust drauf hast es mit uns zu versuchen. Oder, dass du an mich glaubst! Oder einfach nur, dass es sich lohnt! Was würde ich dafür geben, aus deinem Mund zu hören, dass das was wir hier zusammen durchmachen nicht umsonst sein wird.
Natürlich hast du Recht, es ist ja gar nicht alles schlecht und ich bin froh, dass wir uns überhaupt kennen lernen durften. Wir haben ja auch eine ganze Menge zusammen erlebt und du bist mir über die Jahre so vertraut geworden. Nun möchte ich dir ein Angebot machen: lass uns doch zusammen arbeiten, gemeinsam durchs Ziel und so. Verstehst du was ich meine?! Mit allen die noch da sind: Hand in Hand ins Wunderland sozusagen. Nur das für mich und meine Freunde das Wunderland unsere Zukunft ist. Ich habe mir gedacht, dass es für uns alle doch eigentlich viel schöner ist, dass wir uns freuen werden, wenn wir einander später, in eben dieser Zukunft, einmal wiedersehen. Einfach, weil wir so eine tolle Zeit zusammen hatten….
Deine Lea
(geschrieben von Lea Schulz)
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